Aus den Augen, aus dem Sinn - und damit aus der Kritik!
Der Bundesregierung ist es seit 1998 nicht gelungen, ihrem erklärten Ziel einer restriktiven Rüstungsexportpolitik in der Praxis näher zu kommen. Während weltweit die Rüstungsmärkte schrumpfen, werden in Deutschland immer mehr Rüstungsexporte genehmigt. Eine wesentliche Ursache für diese Entwicklung ist der weitgehend unbehinderte Export deutscher Rüstungskomponenten.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: In den Jahren 1999 bis 2003 machten Rüstungs-komponenten deutlich mehr als die Hälfte des Gesamtwertes aller Exportgenehmigungen in Höhe von etwa 27 Mrd. Euro aus. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Made in Germany inside: Komponenten – die vergessenen Rüstungsexporte", die heute vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) und Oxfam Deutschland vorgestellt wurde. "Es ist schon merkwürdig: Der größere Teil der Genehmigungen für deutsche Rüstungsexporte wird öffentlich überhaupt nicht wahrgenommen", sagte Oxfam-Geschäftsführer Paul Bendix. "Das muss sich unbedingt ändern. Besonders bei den Komponenten müssen wir der Bundesregierung auf die Finger schauen. Denn ’Made in Germany’ steckt viel häufiger in ausländischen Waffen, als es von außen zu erkennen ist."
Die in der Studie aufgeführten Einzelgeschäfte zeigen, dass beim Handel mit Rüstungskompo-nenten andere Empfängerländer kritisch betrachtet werden müssen, als beim Verkauf ganzer Waffensysteme. "Nicht Botswana oder Usbekistan sind in diesem Fall die Problemstaaten. Stattdessen müssten Exporte an Frankreich, Großbritannien, die USA oder an ‚Tiger-Staaten’ der Rüstungsproduktion wie Brasilien, Israel, Südafrika und Südkorea mit Vorsicht behandelt werden", so Christopher Steinmetz vom BITS. "Von da aus gelangen deutsche Komponenten auf Kriegsschauplätze und in Länder, für die es aufgrund der deutschen Rüstungsexportrichtlinien eigentlich überhaupt keine Genehmigung geben dürfte."
Die ungehinderte Verbreitung deutscher Rüstungskomponenten wird auch dadurch begünstigt, dass sie von der Bundesregierung quasi als "Rüstungsgüter light" behandelt werden. Rüstungs-komponenten können leichter exportiert werden als ganze Waffen, weil die Genehmigungs-kriterien hier weniger restriktiv gehandhabt werden.. Verantwortlich dafür ist ein schwer durch-schaubare Dickicht aus Rüstungsexportgesetzen, Gewohnheitsrechten, alten Lieferzusagen, Präzedenzfällen, Sonderregelungen und politischen Verpflichtungen. "Wenn ganze U-Boot-Motoren ohne rechtliche Probleme in ein Embargoland wie China geliefert werden können, weil sie rein theoretisch auch zivil genutzt werden könnten, dann müssen der Bundesregierung die Bewertungskriterien etwas durcheinandergeraten sein", kommentierte Otfried Nassauer, Leiter des BITS. "Da kommt eindeutig das Fressen vor der Moral, wenn es letztere überhaupt noch gibt."
Die Studie fordert mehr Transparenz von der Bundesregierung. Die in den jährlichen Rüstungsexportberichten veröffentlichten Daten seien weder systematisch vergleichbar, noch schlüssig aufbereitet, geschweige denn vollständig. Die Autoren fordern, die rechtlichen Regeln für den Export aller Rüstungsgüter entlang der strengeren Standards des Kriegswaffenkontroll-gesetzes zu vereinheitlichen und die Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Rüstungsexport rechtsverbindlich umzusetzen. Dies seien geeignete Schritte, um bei Rüstungs-komponenten zu einer wirklich restriktiven Exportpraxis zu kommen.