18 Mai 2008

BITS: Rußland führt NATO Glasnost vor

Rußland ist der NATO einen Schritt voraus, wenn es darum geht, seine Militärdoktrin offenzulegen. Der russische Präsident Vladimir Putin hat jetzt den gesamten Text der neuen russischen Militärdoktrin im Wortlaut veröffentlicht. „Wir fordern seit 1990, daß die NATO ihre Miltärstrategie offenlegt. Nach wie vor veröffentlicht die Allianz aber nur ihr politisches Strategisches Konzept, die Militärstrategie aber bleibt weiter geheim", kritisiert Otfried Nassauer, Leiter des BITS. Damit verstößt die NATO gegen ihren eigenen, Anfang der 90er gefaßten Vorsatz, nach Ende des Kalten Krieges ihre gesamte Strategie zu veröffentlichen. Auch der Text der neuen NATO Militärdoktrin MC 400/2, der laut Zeitplan in der kommenden Woche gebilligt werden soll, wird in bester Tradition des Kalter Krieges geheim gehalten.

Obwohl Nassauer die Offenheit Rußlands begrüßt, sieht er einige Passagen der neuen Militärdoktrin mit Sorge. Diese lassen die Möglichkeit für einen nuklearen Gegenschlag, wenn Rußland mit chemischen oder biologischen Waffen angegriffen wird oder sich einem massiven Angriff mit konventionellen Waffen gegenübersieht. Daniel Plesch, Direktor von BASIC, erklärt: „Damit übernimmt Rußland eine Strategie der flexiblen Antwort, wie die NATO sie zur Zeit des Kalten Krieges praktizierte und nimmt gleichzeitig das Recht auf einen nuklearen Ersteinsatz für sich in Anspruch. Das steht im Widerspruch zu den negativen Sicherheitsgarantien gegenüber den Nicht-Kernwaffenstaaten, zu denen sich Rußland verpflichtet hat."

Andererseits sind diese negativen Sicherheitsgarantien auch Teil der neuen russischen Militärdoktrin. Obwohl die Doktrin neue Möglichkeiten zum Einsatz von Nuklearwaffen eröffnet, bekräftigt sie gleichzeitig „die Russische Föderation wird gegen Teilnehmerstaaten des Vertrages über Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, die nicht über Kernwaffen verfügen, keine Kernwaffen einsetzen," es sei denn, dieser Staat ist mit einem Kernwaffenstaat verbündet. In der NATO-Strategie, die ebenfalls die Möglichkeit eines Einsatzes nuklearer Waffen gegen die Besitzer chemischer und biologischer Waffen offenhält, wird – soweit bekannt – nicht extra auf die Negativen Sicherheitsgarantien hingewiesen .

Die Leiter von BITS und BASIC sind sich einig, daß die neue Russische Militärdoktrin und die MC 400/2 der NATO einen Trend erkennen lassen, zusätzliche Aufgaben für Nuklearwaffen vorzusehen: „Diese Entwicklung schwächt das Nichtverbreitungsregime und gefährdet den gesamten Prozeß der nuklearen Abrüstung", warnt Daniel Plesch.

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