03 Mai 2000

BITS kritisiert die neue NATO-Strategie

NATO: Neue Militärstrategie als Sperrfeuer gegen nukleare Rüstungskontrolle

Die NATO treibt umstrittene Pläne voran, die Rolle nuklearer Waffen in ihrer Strategie auszuweiten. Das berichtet der Zürcher Tagesanzeiger. Oberst Frank Salis, der Sprecher des NATO-Militärausschusses bestätigt, daß der Ständige NATO-Rat noch vor dem 9. Mai eine neue Militärstrategie für die Allianz (MC 400/2) verabschieden soll. Diese sieht vor, daß Atomwaffen nicht nur gegen nuklear bewaffnete Gegner, sondern auch gegen Besitzer von chemischen und biologischen Waffen eingesetzt werden können.

Dies bestätigt Recherchen, die das Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS) und das British American Security Information Council (BASIC) im März in einer Studie mit dem Titel Questions of Command and Control: NATO, Nuclear Sharing and the NPT erstmals veröffentlichten.

Oberst Salis sagte dem Tagesanzeiger unter anderem, die Allianz brauche „gegen alle Formen von möglichen Angriffen gleichwertige Mittel zur Abschreckung sowie zur Verteidigung." Er fügte hinzu: „Weil die NATO über keine B- und C-Waffen verfügt, bleibt uns nur die Drohung mit der Atomwaffe."

„Diese Ausweitung der Rolle von Nuklearwaffen ist eine ernste Gefahr für die Zukunft des Atomwaffensperrvertrages und entzieht der laufenden Überprüfung der Rüstungskontroll- und Nichtverbreitungspolitik der NATO die Grundlage", kritisiert Otfried Nassauer, Leiter des BITS. „Die Allianz sollte die Abstimmung über MC400/2 zumindest aufschieben, bis die NATO ihre Rüstungskontrollpolitik abschließend überarbeitet hat. Anderenfalls könnte die neue Militärstrategie diesen Prozess blockieren."

Der Überprüfungsprozess der Rüstungskontrollpolitik der NATO wurde auf Druck Deutschlands und Kanadas während des NATO-Gipfels in Washington im April 1999 vereinbart. In diesem Kontext soll unter anderem geprüft werden, ob die NATO künftig auf den Ersteinsatz nuklearer Waffen verzichten kann. Ein solcher Verzicht wird unmöglich, wenn nukleare Waffen auch zur Abschreckung gegen biologisch oder chemisch bewaffnete Gegner dienen sollen. Diese besitzen meist keine Atomwaffen.

„Wie kann die Welt das Engagement der USA für die Abrüstung ernst nehmen, wenn die Vereinigten Staaten und ihre NATO-Partner gleichzeitig neue Einsatzmöglichkeiten für Nuklearwaffen suchen und finden? Je mehr Aufgaben die NATO für Nuklearwaffen findet, desto mehr provoziert sie deren Proliferation durch andere Länder", meint Daniel Plesch, Direktor von BASIC.

Dieser Schritt der NATO wird die Glaubwürdigkeit der negativen Sicherheitsgarantien der Kernwaffenstaaten verringern, erklärt Tom McDonald, wissenschaftlicher Mitarbeiter von BASIC. Mit diesen Garantien versprechen die Kernwaffenstaaten, keine Staaten mit Atomwaffen zu bedrohen, die nicht im Bündnis mit einem atomar bewaffneten Staat angreifen: „Die geplante Änderung der Nuklearpolitik der NATO impliziert, daß die Kernwaffenstaaten der NATO sich das Recht vorbehalten, Atomwaffen auch gegen Staaten einzusetzen, die vertraglich auf den Besitz von Nuklearwaffen verzichtet haben", so McDonald.

Für aktuelle Informationen zur Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages und zur NATO-Nuklearpolitik stehen Otfried Nassauer Tel. 030-446858-0, Daniel Plesch Tel. 001-202-997-1562 und Tom McDonald 001-202-487-4386 zur Verfügung. Die Studie Questions of Command and Control kann auf der Website www.basicint.org abgerufen werden.