17 November 2007

Krieg

Was ist Krieg?

Der Krieg wurde von Clausewitz als "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" definiert.

Dass Clausewitz mit solch nichtssagender Definition Berühmtheit erlangte, hat seinen Grund darin, dass sich die Kriegstreiberei keinen Definitionsschranken unterwerfen will und allzu viele Historiker und Politiker den "Krieg als Mittel der Politik" beibehalten wollen.

Die Kriegsdefinition von Clausewitz ist ebenso falsch, als würde das Strafgesetzbuch "die Vergewaltigung als Fortsetzung der Liebe mit anderen Mitteln" definieren.

Die Mindestdefinition für Krieg muss lauten: "Krieg ist Politik mittels Gewalt."

-markus rabanus-

>> http://www.kriegserklaerung.de/
>> www.dialoglexikon.de/falsche-kriegsdefinition.htm
>> http://www.pazifismus.info/

26 Oktober 2007

Israel soll dem Atomwaffensperrvertrag beitreten

Ägypten und weitere Staaten brachten einen Resolutionsentwurf vor die UNO, der Israel den Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag und Atomwaffenverzicht auffordert.Israel gestattet keine IAEO-Inspektionen und ist der einzige Staat des Nahen Ostens, der nicht Mitglied des Atomwaffensperrvertrags ist. Ob Israel überhaupt Atomwaffen hat oder anstrebt, ist seit Jahrzehnten umstritten, da die israelischen Regierungen mit "Sprachregelungen" ausweichende Auskünfte geben und die Pressefreiheit zum Thema Atomwaffenbesitz unter dem Deckmantel der "nationalen Sicherheit" beschränkt und Verstöße strafbewehrt halten.
Gleichzeitig wendete Israel mehrfach gegen Nachbarstaaten militärische Gewalt an, die im Verdacht stehen, atomare Technologien zu entwickeln. Zuletzt in der Nacht zum 6. September 2007, als die israelische Luftwaffe mit bis zu acht F-15-Kampfflugzeuge syrische Anlagen bombardierte, die als "landwirtschaftliches Forschungszentrum" ausgewiesen werden. Auch dieser "Zwischenfall" kam vor den Weltsicherheitsrat, wurde dort aber nicht weiter verfolgt. Die Jerusalem Post wies im Hinblick auf die vielen Gerüchte im Zusammenhang mit diesem Bombarierung auf die Zensur hin.
Im Hinblick auf das vermeintliche Atomwaffenprogramm des Iran forderte Israel die internationale Gemeinschaft mehrfach zur Gewaltanwendung auf oder drohte selbst mit Gewalt. Desgleichen trug die vormalige Regierung Israels wesentlich zum Krieg gegen das Regime Saddam Husseins bei (Irak-Krieg 2002), indem sie die Existenz irakischer Atomwaffen behauptete, was sich spätestens mit den umfänglichen "Inspektionen" der Besatzungsstreitkräfte als Irreführung der Weltöffentlichkeit herausstellte.

Meine Haltung zu Atomwaffen:

1. Es gibt kein Konfliktszenario, der den Einsatz von Atomwaffen rechtfertigen könnte, auch nicht als Verteidigungsmittel.

2. Wer von anderen Staaten Verzicht auf Atomwaffen fordert, muss es zuerst für sich realisieren. Wer hingegen nur auf Gegenseitigkeit zum Verzicht bereit ist, wird den eigenen Atomwaffenbesitz stets damit herausreden, dass irgendjemand Atomwaffen herstellen wolle.

3. Wenn gleichwohl auf die Gegenseitigkeit bestanden wird, so wäre darin nur glaubwürdig, wer alles dafür tut, dass die vollständige Atomwaffenabrüstung durch klare Beschlüsse der Vereinten Nationen zum absoluten und verifizierbaren Gebot werden.

4. Wer so tut, als sei ihm die Atomwaffe eine Verteidigungswaffe, der schuldet der Weltöffentlichkeit die Antwort, für welche Art des Verteidigungsfalls. Wenn es "nur" eine Waffe zur sogenannten "massiven Vergeltung" bzw. zur "Abschreckung" gegen atomare Angriffe sein soll, dann schuldet die Atommacht zumindest die Erklärung, dass sie auf den nuklearen Erstschlag verzichtet. In Folge davon wäre ein Schlüssel-Regime zu entwickeln, dass die Erstschlags-Option verhindert.

5. Diejenigen Staaten, die den Atomwaffensperrvertrag entgegen seinem Artikel 6 dahin auslegen, dass ihnen ein Atomwaffenprivileg bewahrt bleibe, sind die tatbestandlichen Ganoven-Staaten unserer Zeit und spielen den Ganoven-Staaten in die Hände, die des Strebens nach Atomwaffen verdächtig sind.

-markus rabanus- >> Diskussion

22 Oktober 2007

Völkerrecht?

"Völkerrecht" ist der klassische und zugleich trügerische Begriff, mit dem sich Staaten als Synonyme für Völker ausgeben. Anstelle von "Völkerrecht" trifft es die Bezeichnung "zwischenstaatliches Recht" bzw. "internationales Recht" exakter.

Weniger gebräuchlich ist der Begriff "Weltrecht", zumal sich viele Staaten ausdrücklich eine "nationale Souveränität" vorbehalten, die sich Entschließungen bspw. der UNO hinwegsetzen dürfe. Dass diese vermeintliche Freiheit letztlich nur Willkür zu einem Recht des Stärkeren führt, erwies sich durch die Jahrhunderte zwar immer wieder als verheerend, wird aber gleichwohl beibehalten - ist seinem Wesen nach Nationalismus.

Ich verstehe unter Weltrecht zweierlei:

1. Weltrecht als System aller Normen des internationalen Rechts, der Völkerrechte und der Menschenrechte.
Solche Definition setzt allerdings ein System rechtlicher Verbindlichkeit voraus, das es in solcher Weise noch längst nicht gibt und beschreibt also einen Sollzustand, einen künftigen Zustand des Weltrechts.

2. Zur Zeit ist das Weltrecht somit eine Ordnung und Unordnung allen konkurrierenden und übereingekommenen Rechts.

-markus rabanus-

Zum Umgang mit (Bürger-)Kriegsgefangenen

Zur Meldung, dass acht türkische Soldaten leben und in Gefangenschaft von kurdischen Rebellen sind. Ich hoffe, dass sie möglichst bald und gesund nach Hause kommen.

VORSCHLAG zum Umgang mit (Bürger-)Kriegsgefangenen

Über Kriegsgefangene sollte man ein Abkommen schließen, dass sie nach ihrer Freilassung nicht erneut an kriegerischen Handlungen teilnehmen dürfen. Das wäre eine ziemliche Verbesserung von Überlebenschancen. An solchen Abkommen haben Regierungen und Rebellen jedoch wenig Interesse, weil darunter die "Kampfmoral" leiden könnte. Sich zu ergeben, würde das Überleben wahrscheinlicher machen. Aber der "Krieg funktioniert nur", wenn es auf Leben und Tod geht. Und das wollen die Kriegstreiber ihren Anhängern weiterhin.

Grüße von Markus Rabanus

ps: WIR müssen http://www.friedensforschung.de/ machen.

Diskussion >> http://52931.rapidforum.com/topic=101570691900

15 August 2007

Nuclear Free Future Award 2007

Die PreisträgerInnen von 2007

Zwischen den Jahrestagen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki gibt die "Franz-Moll-Stiftung für die kommenden Generationen" in München die Preisträger des Nuclear-Free Future Award 2007 bekannt. Der internationale Preis, dotiert mit je 10.000 US-Dollar, gliedert sich in die drei Kategorien Widerstand, Aufklärung und Lösungen; darüber hinaus gibt es einen Ehrenpreis für Lebenswerk.

Widerstand:

Charmaine White Face und die "Defenders of the Black Hills", USA.

Die Aktivistin von der indianischen Nation der Oglala kämpft gegen das Wiederaufleben des Uranabbaus in den Black Hills und auf ihrem Heimatreservat Pine Ridge; die Gewinnung von Uran bedeutet nicht nur die radioaktive Verseuchung von Boden und Grundwasser, sondern auch die Zerstörung der heiligen Plätze des Stammes.

Aufklärung:

Dr. Horst-Siegwart Günter, Deutschland

Der Arzt, der bereits mit Albert Schweitzer in Afrika arbeitete, war einer der ersten, die nach dem ersten Golfkrieg die Öffentlichkeit auf die tödlichen Folgen der mit abgereicherten Uran (DU – depleted uranium) gehärteten Geschosse der US-Armee hinwies. Seitdem ist er eine hartnäckige Stimme gegen Uranwaffen im Schweigen der Medien.

Lösungen:

Mayors for Peace (Bürgermeister für den Frieden), Japan

Takeshi Araki , Bürgermeister von Hirsohsima, hatte 1982 eine einfache Idee von globaler Dimension: Was wäre, wenn alle Bürgermeister der Welt ihren Ort zu einer atomwaffenfreien Zone erklären würden? So begann die weltweite Bewegung "Mayors for Peace", der heute Tadatoshi Akibahe voransteht. Mittlerweile (Anfang August 200/) umfaßt das Friedensbündnis 1698 Städte in 122 Ländern. Wie kaum ein anderes Netzwerk sorgen die Bürgermeister für eine konstruktive Alternative zur atomaren Aufrüstung.

Lebenswerk (Ehrenpreis):

Freda Meissner-Blau / Prof. Armin Weiss

Die zwei Ältesten der Anti-Atom-Bewegung – sie in Österreich gegen Zwentendorf, er in Deutschland gegen Wackersdorf, beide über 80 – erinnern uns an die Pflicht des Widerstand im Namen der kommenden Generationen.

Der Nuclear-Free Future Award wurde 1998 aus der Taufe gehoben und wird dieses Jahr zum 10. Mal verliehen. Aus diesem Anlaß findet die Verleihung am 18. Oktober 2007 unter Schirmherrschaft der Salzburger Landersregierung in der Salzburger Residenz statt. In Salzburg wurde 1992 das World Uranium Hearing abgehalten, aus dem der Anti-Atom-Preis hervor gegangen ist. Zur internationalen Jury gehören u. a. die Biologin Christine von Weizsäcker; Monika Griefahn, Mitglied des deutschen Bundestags; der Hollywood-Schauspieler Val Kilmer, der Autor Kirkpatrik Sale, die Strahlenforscherin Rosalie Bertell und der Friedensforscher Johan Galtung; im Beirat sind der Folk-Musiker Arlo Guthrie, die Schriftsteller Isabel Allende und Galsan Tschinag und der Computer-Philosoph Joseph Weizenbaum.

Kontakt: Nuclear-Free Future Award, München
  • nuclear-free.com
  • 14 Juni 2007

    Friedensgutachten 2007

    Vorstellung des Friedensgutachtens am 14. Juni 2007 von Bruno Schoch, HSFK
    Friedensgutachten.de

    Schwerpunkt: Bundeswehreinsätze auf dem Prüfstand
    Das diesjährige Friedensgutachten warnt vor einem neuen – und gefährlicheren – Atomzeitalter. Sein Schwerpunkt thematisiert die sprunghaft gestiegenen Bundeswehreinsätze. Wir verlangen, sie gründlich zu evaluieren. Und wir schlagen Mindestkriterien für künftige Einsätze vor.
    Außerdem wollen wir den transatlantisch verengten Blick öffnen: Die stupenden Zuwachsraten in der asiatisch-pazifischen Region bewirken eine tektonische Verschiebung der Weltordnung. China erhöht 2007 sein Verteidigungsbudget um fast 18 Prozent. Japan will seine Rüstungsbeschränkungen aufheben. Das amerikanisch-indische Abkommen, vom Kongress noch nicht verabschiedet, besiegelt Indiens Status als Nuklearmacht und könnte Spannungen mit dem fragil-stabilen Pakistan verschärfen. Das totalitäre Nordkorea hat mit seinen Atomtests Diskussionen in Südkorea und Japan über eigene Nuklearwaffen entfacht.
    Gleichwohl liegt das Zentrum des neuen Wettrüstens nicht in Asien. Der Militärhaushalt der USA wächst unter Präsident Bush im Schnitt um 14 Prozent jährlich. Weltweit werden für Streitkräfte und Rüstungen mehr als eine Billion Dollar ausgegeben. Fast die Hälfte entfällt auf die USA, die NATO bestreitet gut 70 Prozent. Diese Zahlen haben etwas Obszönes.
    Die Welt ist in ein neues und gefährlicheres Atomzeitalter eingetreten. Davor warnen jetzt selbst Henry Kissinger und George Shultz. Ihr dramatischer Appell ruft die Abrüstungsver2 pflichtung im Atomwaffensperrvertrag in Erinnerung. Aber wo finden sie Gehör? Unnachgiebig modernisieren die Kernwaffenmächte ihre Arsenale. Sie untergraben so das Nichtverbreitungsregime und stacheln Diktatoren an, sich vor erzwungenem Regimewechsel mittels Atomwaffen schützen zu wollen. Der Irakkrieg hat sie darin bestärkt.
    Gegen diese Renuklearisierung muss die Bundesrepublik tun, was sie kann. Ein Signal wäre es, die hierzulande noch lagernden Kernwaffen abzuziehen. Das aus Moskau so schrill kritisierte Raketenabwehrprojekt ist kein bilaterales Thema Washingtons mit Prag und Warschau – es gehört in die NATO und in die EU. Auch die militärische Nutzung des Weltraums tangiert Europa, auf Kommunikationstechnologien im All angewiesen. Doch Verhandlungen über ein Verbot von Anti-Satellitenwaffen sind nicht in Sicht.
    Viel war jetzt auf dem G-8-Gipfel von Afrika die Rede. Das Friedensgutachten konzentriert sich auf drei ausgewählte Konfliktherde: Kongo, Sudan und das Horn von Afrika. Die Bundeswehr war 2006 daran beteiligt, freie Wahlen im Kongo zu überwachen. Sie hatte Gewalt in Kinshasa zu verhindern. Gemessen an diesem Mandat war der Einsatz erfolgreich. Ob er viel zur dauerhaften Befriedung des Kongo geleistet hat, ist fraglich.
    Den schleichenden Völkermord in Darfur zu beenden, ist dringend geboten. Enthüllungen der UNO im April belegten, dass die Regierung das mörderische Treiben der Dschandschawid stützt. Die halbherzige internationale Hilfe für Darfur desavouiert die Mahnung, nie wieder dürfe so etwas wie in Ruanda geschehen, zum Lippenbekenntnis.
    Hoch bleibt die Gewaltdichte im Vorderen Orient. Im Nahostkonflikt sind die Ecksteine einer Regelung seit langem international anerkannt: Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates auf der Formel „Land für Frieden“, Rückzug Israels aus den 1967 eroberten Gebieten und Ende der Siedlungen, wechselseitige Anerkennung beider Staaten und ihrer Sicherheitsbedürfnisse. Doch fehlt es dazu in Israel an Mut und politischem Willen, während die Palästinenser vom Machtkampf blockiert sind. Es käme darauf an, beide Seiten mittels Druck von außen dazu zu bringen, den Weg aus der Gewalt zu beschreiten. Die Abhängigkeit beider bietet einen Hebel für den nötigen Druck. Die EU wäre gut beraten, mit Hamas Gespräche wieder aufzunehmen, um deren Pragmatiker zu stärken und die durch den Boykott abgebrochene Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde fortzusetzen.
    Zweifel, dass Iran entgegen allen Beteuerungen militärische Ziele verfolgt, gründen in früheren Vertragsverletzungen. Sanktionen und Drohungen brachten Teheran nicht dazu, die Urananreicherung auszusetzen. Deshalb sollte man mit Iran auch über Sicherheitsgarantien, Schritte zu einer nuklearwaffenfreien Zone und über eine Multilateralisierung seiner Urananreicherung sprechen. Nicht auszuschließen, dass auch ein derart erweiterter Verhandlungsprozess scheitert – aber bloß auf der bisherigen Position zu beharren und das Land weiter zu isolieren, wird die atomare Aufrüstung Irans eher befördern als verhindern. 3 Im Irak ist die Lage so verfahren, wie selbst die Baker-Hamilton-Kommission konstatiert, dass für eine externe Konfliktlösung kaum mehr Erfolgschancen bestehen. Weder ein Abzug noch eine Verstärkung der US-Truppen würde die Gewalt beenden. Dass Washington endlich bereit ist, Gespräche mit Teheran zu führen, zeugt von Einsicht, kommt indes mit Blick auf den Irak wohl zu spät.
    Unser Schwerpunkt stellt die Bundeswehreinsätze auf den Prüfstand. Die militärische Zurückhaltung der alten Bundesrepublik ist passé, Deutschland gehört zu den größten Truppenstellern der UNO. Rund 8.000 deutsche Soldaten sind in Gegenden im Einsatz, wo sie sich noch vor wenigen Jahren niemand hätte vorstellen können. Jetzt wird die Bundeswehr zu einer „Armee im Einsatz“ umstrukturiert. Doch was ist darunter zu verstehen? Was diese Armee tun muss, soll und darf – und was nicht –, bleibt vielfach im Nebel. Der frühere Direktor der SWP weiß zu berichten: „Vor einiger Zeit rief mich ein deutscher Major aus Afghanistan an. ‚Wir sitzen hier mit tausend Mann in Mazar-e-Sharif’, sagte er, ‚und wissen eigentlich nicht so recht, warum wir hier sind. Können Sie nicht mal kommen und uns das erklären?’“ – Das trifft das Unbehagen über die seit 1994 sprunghaft zugenommenen Einsätze gut.
    Die wachsende Zahl von Bundeswehreinsätzen zeugt davon, dass sich auch hierzulande der Irrglaube breit macht, Militär sei ein adäquates und abrufbereites Mittel weltweiter Krisenbewältigung. Die Entwicklung in Afghanistan belehrt eines Besseren. Sicherheit mag vordringlich sein für den Wiederaufbau, aber hearts and minds lassen sich mit Militär nicht gewinnen. Die Relationen stimmen nicht, wenn die Bundeswehr in Afghanistan in jedem Jahr 450 Millionen Euro kostet, während für den zivilen Aufbau inklusive Polizei 80 Millionen – ab 2007 erstmals 100 Millionen – ausgegeben wird.
    Wir lehnen militärische Mittel nicht per se ab. Aber wir fordern eine gründliche Evaluierung der militärischen Missionen. Und wir fordern, dass klare Kriterien aufgestellt werden. Bisher leiden die Bundeswehreinsätze darunter, dass sie ad hoc und reaktiv entschieden und begründet werden. Weil die Entscheidungen einem Geflecht innen- und außenpolitischer Einflussfaktoren unterliegen, stimmen Gründe und Begründungen für Interventionen selten überein. Steht die Befriedung von Gewaltkonflikten in den betroffenen Gesellschaften im Zentrum, muss der Prüfstein die nachhaltige Transformation lokaler Gewaltkonflikte sein, besonders der Aufbau von Regeln und Institutionen friedlicher Konfliktbearbeitung. Daran ist die Implementierung militärischer und ziviler Maßnahmen laufend zu prüfen – und gegebenenfalls zu korrigieren.
    Wir schlagen vor, an Militäreinsätze mindestens die folgenden Kriterien anzulegen:
    Rechtmäßigkeit: Sie müssen mit der UN-Charta und dem Grundgesetz übereinstimmen;
    Unterscheidung von friedenspolitischen und funktionalen Gründen: macht-, einfluss- und bündnispolitische Ziele dürfen nicht den Ausschlag geben;
    Vorrang ziviler Alternativen: Sind alle nichtmilitärischen Alternativen ausgeschöpft oder erkennbar aussichtslos?
    Politisches Gesamtkonzept, einschließlich einer Klärung der Erfolgsbedingungen im Zielland;
    Evaluierung: Kein Auslandseinsatz ohne begleitende Evaluierung und nachträgliche Bilanzierung seiner Kosten und Nutzen.

    Exit-Strategie: Wann und wie ist ein Einsatz zu beenden?
    Wir begrüßen das Engagement von Bundespräsident und Bundesregierung für Afrika. Weil sich dort zahlreiche failed states und Gewaltkonflikte finden, ist mit weiteren Anfragen von UNO und EU zu rechnen, sich an Friedensmissionen zu beteiligen. Unsere Kriterien für die „Armee im Einsatz“ werden schon bald auf die Probe gestellt werden.
    Wir haben das Friedensgutachten gestern im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vorgestellt und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschuss präsentiert. Nachher sind wir im Verteidigungsausschuss, dessen Vorsitzende es auch im Namen des Bundestagspräsidenten entgegennehmen wird.
    Für die fünf beteiligten Institute möchte ich mich schließlich bei der Deutschen Stiftung Friedensforschung bedanken. Ihre Unterstützung hilft uns, das Friedensgutachten in Konzeption und Erscheinungsbild zu verbessern.

    22 Mai 2007

    Globale Rüstungsausgaben überstiegen eine Billion US-Dollar

    Susanne Heinke, Public Relations, Bonn International Center for Conversion (BICC)

    Anlässlich der Vorstellung seines Jahresberichtes 2006/2007 veröffentlicht das BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) alarmierende Zahlen zur weltweiten Aufrüstung. Mit 1.030 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 sei die Schallgrenze von einer Billion US-Dollar deutlich überschritten worden. Eine anhaltende Militarisierung spiegele sich aber auch in einer raschen Zunahme von kriegerischen Auseinandersetzungen wider: Zwischen 2005 und 2006 stieg die Anzahl an Konflikten, bei denen zumindest sporadisch physische Gewalt angewendet wurde, von 91 auf 111. Die BICC-Experten sehen den Trend zur globalen Aufrüstung auch in Zusammenhang mit den Rüstungsausgaben der USA, die 46 Prozent weltweit ausmachten. Der US-Regierung werfen sie vor allem in den Fällen Irak, Afghanistan und Iran "überholtes strategisches Denken" vor.
    "Das Jahr 2006 war kein gutes Jahr für den Frieden", bilanziert Peter J. Croll, Direktor des BICC. Der allgemeine Trend weltweiter Aufrüstung ging 2005, dem letzten Jahr, für das zum Zeitpunkt der Abfassung des BICC-Jahresberichts gesicherte Daten vorlagen, weiter. In absoluten Zahlen ausgedrückt überstiegen die Militärausgaben zum ersten Mal die Grenze von einer Billion US-Dollar, was ungefähr 2,5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprach. Dies bedeutet einen Zuwachs um 25 Prozent seit 2001. Auch pro Kopf gerechnet stiegen die globalen Militärausgaben von 135 US-Dollar 2001 auf 173 US-Dollar vier Jahre später (2004: 160 US-Dollar).

    "Die gestiegenen Verteidigungsausgaben sind in erster Linie auf den wegen des Irak-Konflikts aufgeblähten US-Verteidigungshaushalt, aber auch auf den beträchtlichen Anstieg der Militärausgaben in Russland, Indien und China zurückzuführen", erläutert Croll. Mit 478 Milliarden US-Dollar macht der US-Verteidigungshaushalt 46 Prozent der weltweiten Militärausgaben aus. Die Rüstungsausgaben Russlands lagen 2005 bei geschätzten 21 Milliarden US-Dollar (Anstieg seit 2001 um 34 Prozent), Indien verzeichnete 20,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2005 und in China stiegen die Rüstungsausgaben auf geschätzte 41 Milliarden US-Dollar (2001: 26,1 Milliarden).

    Wie die Militärausgaben erhöhte sich auch die absolute Personalstärke des Militärs und paramilitärischer Einheiten, und zwar von 26,8 Millionen im Jahr 2004 auf 31 Millionen im Jahr 2005. Das weltweite Verhältnis Soldaten zu Zivilisten kann daher ungefähr auf eins zu 200 geschätzt werden.

    Der Nahe und Mittlere Osten kann als die am stärksten militarisierte Region der Welt bezeichnet werden. Dies gilt vor allem in Bezug auf den Anteil am Bruttoinlandsprodukt (5,2 Prozent 2005) und am Verhältnis Soldaten zu Zivilisten (durchschnittlich 1 zu 87).

    Irak, Afghanistan, Iran - Konflikte und Handlungsoptionen

    Zu den wichtigsten Krisenherden zählt das BICC Afghanistan und Irak. Aber auch die Auseinandersetzungen um das iranische Atomprogramm bieten ein hohes Konfliktpotenzial.

    "Es gibt keine Patentlösung. Dennoch ist der Widerspruch zwischen den globalen Führungsansprüchen der US-Regierung und ihrem fatalen Scheitern bei der Lösung von Konflikten nicht zu übersehen", betont Volker Franke, Forschungsdirektor des BICC. Amerikas derzeitige Probleme seien auch auf das überholte strategische Denken der Entscheidungsträger zurückzuführen, die ihren politischen Einfluss in der Reagan-Ära erworben haben.

    Im Irak habe mangelnder Weitblick zur Gewalteskalation geführt. Die sektiererische Gewalt nimmt rapide zu, was Ausmaß, Komplexität und Todesopfer angeht. "Handlungsoptionen sind durchaus vorhanden, z.B. der Beginn einer neuen Entspannungspolitik, die die Sicherheit im Irak in den größeren Kontext der Sicherheit in der Region (Nahost-Konflikt, Iran, Jemen, Syrien, Pakistan, Golfstaaten) stellt", schätzt Franke ein. Auch sollten Gespräche mit allen Beteiligten (irakische Regierung, aber auch die mächtigsten Schiitenführer) über die Optionen für einen nachhaltigen Frieden geführt werden. Ziel ist ein Prozess der nationalen Aussöhnung, der die Gewalt eindämmt und die staatliche Einheit des Irak bewahrt. Schließlich müsse eine klare Aussage der Bush-Administration getroffen werden, dass es Washington weder um die Kontrolle über das irakische Öl noch um dauerhafte Militärstützpunkte im Irak geht.

    Nachhaltige Sicherheit in Afghanistan müsse von gezielter sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung begleitet werden. Neben dem Angebot von Schul- und Berufsbildungsmöglichkeiten sowie Aussichten auf zivile Arbeitsplätze, muss die internationale Gemeinschaft sich hier dringend mit der Bekämpfung der zunehmenden Opiumproduktion und des Drogenhandels befassen. "Eine zentrale Rolle für die Stabilität Afghanistans spielt die Einbeziehung Pakistans", unterstreicht Franke. Priorität habe, ein von beiden Seiten akzeptiertes Grenzkontrollsystem einzuführen und den derzeitigen Grenzverlauf als rechtmäßig zu akzeptieren.

    Am 23. Mai läuft die neue Frist aus, die der UN-Sicherheitsrat dem Iran zur Aussetzung der Urananreicherung gesetzt hat. BICC-Experten sehen die Iran-Politik der internationalen Gemeinschaft derzeit in einer Sackgasse. "Es ist Zeit für einen Kurswechsel und ein Angebot ernsthafter Verhandlungen ohne Vorbedingungen, allerdings mit dem erklärten Ziel, dem Urananreicherungsprogramm des Iran strikte Kontrollen aufzuerlegen", erläutert Croll. Der Iran ist dabei, die Fähigkeit zur Urananreicherung zu erwerben. Entscheidend sei deshalb nicht mehr, seine Anreicherungskapazität an sich zu verhindern. Vielmehr müsse der Iran jetzt durch eine neue Verhandlungsstrategie davon abgehalten werden, tatsächlich Atomwaffen zu produzieren. Von der US-Regierung erwarten die BICC-Experten statt einer weiteren gefährlichen Eskalation im Bereich der nuklearen Aufrüstung eine ähnliche Kurskorrektur wie gegenüber Nordkorea zu Beginn dieses Jahres.

    Das BICC veröffentlicht in seinem Jahresbericht 2006/2007 Daten und Analysen zu weltweiten Auf- und Abrüstungstrends. Zudem stellt das Zentrum seine Produkte und Projekte in anwendungsorientierter Forschung, Beratung und capacity building vor.

    Weitere Informationen:
    bicc.de/publications/jahresbericht/2007
    bicc.de/publications/jahresbericht/2007