26 Mai 2009

Friedensgutachten 2009

Vorstellung des Friedensgutachtens am 26. Mai 2009 von Jochen Hippler, INEF
Friedensgutachten.de

Friedensforscher und -forscherinnen fordern: Bevölkerung gewinnen statt Kriege führen.

Die meisten gegenwärtigen Kriege lassen sich nicht ohne legitime und funktionierende Staatlichkeit an der Basis der Gesellschaft nachhaltig beenden. Zu diesem Ergebnis gelangt das Friedensgutachten 2009. Die Schauplätze dieser Kriege und Gewaltkonflikte sind schwache oder gescheiterte Staaten. Umkämpft sind die Gesellschaften. Es geht um politische Ordnungsvorstellungen und um die politische Unterstützung durch die Bevölkerung. Militärische Gewalt ist dafür selten kriegsentscheidend. Trotz der Debatten um „neue Kriege“ oder „gescheiterte Staaten“ wird immer noch unterstellt, dass mehr Truppen zu mehr Sicherheit führten und sich Kriege durch militärische Überlegenheit beenden ließen. Die Betonung militärischer Machtmittel überspielt häufig nur die politische Konzeptionslosigkeit. Strategien zur Kriegsbeendigung müssen vielmehr die politischen Integrations- und Entscheidungsprozesse der jeweiligen Gesellschaften umgestalten.
Die Kriege im Nahen und Mittleren Osten, im Sudan und im Kongo werden gründlich missverstanden, wenn man sie primär als militärische Auseinandersetzungen betrachtet. Die Kriege in Afghanistan und Pakistan sind durch militärische Schlachten und Truppenverstärkungen nicht zu entscheiden. Schwache oder fehlende staatliche Institutionen und der Zusammenbruch gesellschaftlicher Regelungsmechanismen schaffen ein Vakuum, das die Taliban und andere Aufständische füllen. Die Gewalt in Afghanistan und Pakistan kann nur beendet werden, wenn eine bürgernahe Staatlichkeit aufgebaut wird, deren Leistungen die Bevölkerung anerkennt. Ein wirksames und faires Rechts- und Polizeiwesen ist dafür entscheidend. Die Bundesregierung sollte die Übergewichtung des Militärischen in Afghanistan aufgeben und der Stabilisierung der Atommacht Pakistan Vorrang einräumen.
Das Friedensgutachten fordert zudem, die atomare und konventionelle Abrüstung voranzutreiben. Die Ankündigung Präsident Obamas, sich für eine Welt ohne Atomwaffen einzusetzen, setzt unversehens Forderungen auf die Tagesordnung, die wir seit Jahren erheben. Diese historische Chance gilt es zu nutzen. Wir fordern Bundesregierung und Europäische Union auf, zur Umsetzung dieser Vision die atomare und konventionelle Abrüstung vorantreiben. Mit einer Rolle als Zaungast ist es nicht getan. Das gilt ebenso für die Bemühungen, die Friedensprozesse im Nahen und Mittleren Osten, im Kongo und im Sudan voranzutreiben. Die europäischen Regierungen sollten gegenüber Washington auf die rechtsstaatlich einwandfreie Auflösung aller völkerrechtswidrigen Gefangenenlager – besonders in Guantanamo und Baghram - drängen und durch die Bereitschaft zur Aufnahme entlassener Gefangener ihren Teil dazu beitragen, dass am Ende dieses dunklen Kapitels im „war on terror“ die Würde des Menschen wieder zählt.