20 Dezember 2011

Trauer um Horst-Eberhard Richter


Prof. Horst-Eberhard Richter ist tot. Arzt, Psychoanalytiker, Philosoph, Friedensforscher, Mitgründer der deutschen Sektion der Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW). Sein Tod ist ein schmerzlicher Verlust für die Friedensbewegung in unserem Land und weltweit.

Markus Rabanus >> Diskussion
Das Foto entstand am 8.5.2004 auf dem IPPNW-Kongress in Berlin.

07 Oktober 2011

Friedensnobelpreis 2011 für drei Frauen

Mit dem Friedensnobelpreis 2011 wurden gemeinsam Ellen Johnson Sirleaf, Leymah Gbowee und Tawakkul Karman geehrt. Die Begründung lautet: "Für ihren gewaltlosen Kampf für die Sicherheit von Frauen und für die Rechte der Frauen zur vollen Teilhabe am Friedens-Arbeit".

20 Juli 2011

Klage gegen völkerrechtswidrige Atomwaffenbasis Büchel

Die Apothekerin Dr. Elke Koller aus Leienkaul hat gegen die US-Atomwaffenbasis Büchel Klage erhoben. Erwartungsgemäß erwies sich Verwaltungsgericht Köln überfordert und wies gestern die Klage ab. Dagegen soll Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster eingelegt werden.

In Artikel I Atomwaffensperrvertrag heißt es: "Jeder Kernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen und sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber an niemanden unmittelbar oder mittelbar weiterzugeben und einen Nichtkernwaffenstaat weder zu unterstützen noch zu ermutigen noch zu veranlassen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper herzustellen oder sonstwie zu erwerben oder die Verfügungsgewalt darüber zu erlangen."

In Artikel II Atomwaffensperrvertrag heißt es: "Jeder Nichtkernwaffenstaat, der Vertragspartei ist, verpflichtet sich, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen, Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper weder herzustellen noch sonstwie zu erwerben und keine Unterstützung zur Herstellung von Kernwaffen oder sonstigen Kernsprengkörpern zu suchen oder anzunehmen."

Im Jahr 2008 wurde öffentlich, dass die USA bis zum 23.10.1973 deutschen Militärs heimlich alleinige Verfügungsmacht über ca. 700 Atomwaffen für den Kriegsfall gegen die Sowjetunion überlassen hatten. Erst der damalige Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt beendete diesen Wahnsinn, wie er auf Anfragen der Presse nach Veröffentlichung seiner Biografie im November 2008 bestätigte.
Aber der Vertragsbruch wurde fortgesetzt, denn der im Jahr 1967 gegründeten "Nuklearen Planungsgruppe" gehört Deutschland weiterhin an und bis heute billigen die Bundesregierungen jeglicher Zusammensetzung Atomwaffen auf dem Gebiet unseres "Nichtatomwaffenstaates".

Es ist erfreulich, dass die Internationale Juristenvereinigung IALANA die Klage von Frau Dr. Erika Koller gegen die Atomwaffenbasis Büchel und gegen die nukleare Teilhabe Deutschlands unterstützt.
Vertreter der Bundesregierung mutmaßten, dass eine "einzelne Bürgerin" nicht über die Bündnispolitik zu entscheiden habe. Darum spendeten wir heute 200 EURO an die IALANA für diesen Prozess, damit Berlin merkelt: "Es sind mindestens zwei", die das Völkerrecht (insb. Atomwaffensperrvertrag Art.2) per Gerichtsurteil durchgesetzt wünschen, was uns obendrein im schwarz-gelben Koalitionsvertrag zugesichert war.
  • Diskussionen.de
  • 14 Juli 2011

    Buchvorstellung: Globales Rapa Nui ?

    Untertitel: Frieden und Sicherheit im Zeichen des Klimawandels

    Autoren: Allhoff, Steffen W.(Hg.)/ Barthel, Sandra / Buciak, Sebastian (Hg.)) / von der Dellen, Katrin / Duwaerts, Kristof W. / Janssen, Elmar / Kreienbrink, Axel / Maas, Achim (Hg.)/ Purzner, Maria Elisabeth / Ramírez Basualto, Manuel Felipe / Rolofs, Oliver Joachim / Schmid, Susanne / Voigt, Martin / Wiertz, Thilo

    Pressemitteilung von Nicola Kulp - OPTIMUS Redaktion

    Polkappenschmelze, Flutkatastrophen, Rekordsommer - tagtäglich werden wir mit Meldungen zum Klimawandel konfrontiert. Und die Prognosen für die Zukunft sind alarmierend: Wachsende Wüsten, zunehmende Naturkatastrophen und ein steigender Meeresspiegel lassen die lebensfreundlichen Regionen zusammenschrumpfen und ziehen Wohnraum- und Ressourcenknappheit nach sich. Rapa Nui - die Osterinsel - gilt zahlreichen Wissenschaftlern als historisches Beispiel für die Auswirkungen massiver Umweltzerstörung auf die Gesellschaft. Isoliert von Möglichkeiten des Außenhandels oder der Auswanderung, führte dort die nach der Entwaldung einsetzende Nahrungsmittelknappheit zum Kollaps des gesellschaftlichen Gefüges und brachte zahlreiche Gewaltkonflikte und eine drastische Dezimierung der Einwohnerzahl mit sich. Es ist dieses Bild, auf das Allhoff, Buciak und Maas mit dem Titel ihrer Publikation referieren. In ihrer Aufsatzsammlung werden verschiedene Aspekte von höchster Aktualität im Kontext derjenigen Nationen untersucht, die, jetzt oder in Zukunft, in besonderem Maße von den jeweiligen Problemstellungen betroffen sind. Nach einer differenzierten Betrachtung der Wechselbeziehungen zwischen Klimawandelauswirkungen und potentiellen gesellschaftlichen Spannungsfeldern werden unter anderem die Themengebiete "Energiesicherheit im Kontext des Klimawandels", "Umweltbedingte Migration" und "Die Rolle von Energieeffizienzmaßnahmen" vertieft. Fragen nach strategischen Implikationen für gesellschaftliches Handeln, nach Umverteilungen von Lebenschancen und Machtverhältnissen, Anpassungsmaßnahmen und danach, ob sich der Übergang in eine vom Klimawandel veränderte Welt friedlich gestalten lässt, stehen hinter den Texten. Die Autoren sind Wissenschaftler, vornehmlich aus den Fachbereichen Politik- und Wirtschaftswissenschaften, Biologie, Ökologie und Soziologie. Die Publikation richtet sich jedoch nicht nur an Studierende und Experten der genannten Fachgebiete, sondern ist durch den gut verständlichen Schreibstil ebenfalls fachfremden Interessierten zugänglich; explizit richten sich die Autoren mit ihren sicherheits-, umwelt- und außenpolitisch hochrelevanten Fragestellungen besonders auch an Politik und Politikberatung. Für ihr Buchprojekt haben die Autoren eine Förderung vom ASS (Außen- und Sicherheitspolitische Studienkreise e.V.) erhalten. Der Optimus Verlag freut sich, mit der Förderung und Unterstützung bei der Veröffentlichung seinerseits einen Beitrag zur Aufklärung über das gewichtige Thema der globalisierten Sicherheitspolitik im Zeichen des Klimawandels leisten zu dürfen.

    Seiten/Umfang : 288 S. - 21 x 14,8 cm
    Erschienen : 1. Aufl. 08.07.2011
    Fachbereich: Politikwissenschaft
    Kategorie: Sammelband
    Sprache: Deutsch
    ISBN 9783941274822
    29,90 Eur[D] / 34,90 Eur[A] / 45,25 CHF / 47,30 USD

    04 Juli 2011

    IPPNW: Keine Waffen für Diktatoren

    Bundessicherheitsrat genehmigt Waffen-Export nach Saudi-Arabien und Algerien

    04.07.2011Der Bundessicherheitsrat hat Medienangaben zufolge dem Export von Waffen nach Saudi-Arabien und Algerien zugestimmt. Dabei handele es sich um Rüstungs- und Sicherheitsprojekte in Algerien in Höhe von zehn Milliarden Euro sowie um zweihundert Leopard II-Panzer, die für Saudi-Arabien gebaut werden sollen. Die Kampagne "Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel" appelliert an die Bundesregierung, aufgrund der Missachtung grundlegender Menschen- und Bürgerrechte in beide Länder keine Waffen und Rüstungsgüter zu liefern.

    "Es ist skandalös, dass die Bundesregierung Waffen an Diktatoren liefert, die in ihrem Land die Menschenrechte mit Füßen treten. König Abdullah Bin ´Abdul ´Aziz al-Saud gewährt zudem dem gestürzten tunesischen Diktator Ben Ali Asyl und unterstützt das totalitäre Regime in Bahrain bei der Niederschlagung der Demokratiebewegung", kritisiert Kampagnen-Sprecher Paul Russmann.

    Laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung gehört Saudi-Arabien seit 2008 zu den Top Ten der Empfängerländer deutscher Waffen. Im Jahr 2009 genehmigte der Bund unter anderem den Export von Teilen für Feuerleiteinrichtungen, Bodenüberwachungsradar, Teile für Kampfflugzeuge, Tankflugzeuge, Teile für Raketen, Granaten, Elektronische Kampfführung und Grenzsicherungssysteme. Der Transfer von Waffen und Rüstungsgütern für Saudi-Arabien umfasste 2009 den Genehmigungswert von 167,9 Millionen Euro. Die Firma EADS erhielt am 30. Juni 2009 die Genehmigung, das saudi-arabische Grenzsicherungsprogramm zu bauen. Mit dem EADS-Grenzsicherungsprogramm lassen sich zum Beispiel Fluchtversuche aus dem Land überwachen und gegebenenfalls unterbinden.

    Seit 2005 regiert der saudi-arabische König mit harter Hand. Als Premierminister und militärischer Oberbefehlshaber in Person lässt er keine Opposition zu. "Die Behörden unterdrückten weiterhin das Recht auf freie Meinungsäußerung und andere Grundrechte", bilanziert die Menschenrechtsorganisation amnesty international in ihrem "Report 2010". Tausende Personen, die "aus Sicherheitsgründen" festgenommen wurden, befinden sich in Haft, darunter gewaltlose politische Gefangene. Die Haftbedingungen sind katastrophal: Misshandlungen und Folter werden systematisch angewandt. Frauen leiden "unter schwerer Diskriminierung". Auch wird die Todesstrafe weiterhin angewendet. Laut amnesty international wurden 2009 mindestens 69 Menschen hingerichtet - darunter selbst Jugendliche.

    Weitere Informationen zu der Kampagne "Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel" finden Sie unter www.aufschrei-waffenhandel.de

    24 Mai 2011

    Friedensgutachten 2011

    Vorstellung des Friedensgutachtens am 24. Mai 2011 in Berlin von Margret Johannsen, IFSH
    Presseerklärung 2011 Friedensgutachten.de

    Friedensforscher fordern: Das Friedensprojekt Europa neu beleben. Solidarität mit den Nachbarn üben.
    Der arabische Frühling ist eine historische Zäsur, vergleichbar mit dem Fall der Berliner Mauer. Er hat den Politikbetrieb und auch Regionalexperten überrascht. Wann und wo genau ein Funke den Sprengstoff entzündet, der sich in Jahrzehnten autokratischer Herrschaft und sozialer Stagnation ansammelt, ist nicht vorhersagbar. Aber wir warnen seit Jahren vor der trügerischen Stabilität, vor der Erstarrung, die den Nährboden dschihadistischer Gewaltbereitschaft abgab. Bei der Vorstellung des Friedensgutachtens 2003 haben wir hier gesagt: „Es ist eine altem Kolonialdünkel verhaftete Legende, der Islam als solcher sei mit Demokratie nicht vereinbar. Gerade wer Krieg als legitimes Mittel für Regimewechsel und Demokratisierung ablehnt, muss die zivilen Bemühungen für die Einhaltung von Menschenrechten, Öffentlichkeit und Partizipation auch in der arabischen Welt entschieden verstärken.“ Das bleibt richtig.

    Mitschuld und Schande Europas
    Europa ist mitschuldig an der langen Stagnation in der arabischen Welt, gegen die sich nun die Menschen erheben. Die EU-Staaten haben sich mit politischen Tauschgeschäften, bei denen Autokraten Erdöl und Erdgas lieferten, Flüchtlinge abfingen und dafür günstige Kredite sowie Waffen erhielten, zu Komplizen repressiver Regime gemacht. Im Rahmen einer neuen Mittelmeerpolitik muss die EU ihre Agrarmärkte öffnen, damit in den südlichen Partnerländern dringend erforderliche Arbeitsplätze entstehen. Sie sollte ihr Know-how beim demokratischen Umbau vormals autokratisch regierter Staaten zur Verfügung stellen. Wir bestehen darauf: Kein Rüstungsexport in Spannungsgebiete und an Gewaltherrscher! Und wir verlangen eine andere Flüchtlingspolitik: human und mit Augenmaß. Seit Beginn des arabischen Frühlings haben 34.000 Flüchtlinge aus Nordafrika Europa erreicht, ein Flüchtling auf 15.000 EU-Bürger. Und nach Meinung von Populisten in Politik und Medien droht Europa in einer Flüchtlingsflut zu versinken – das ist nicht nur ein Irrtum. Es ist eine Schande.

    Höchste Zeit für kreative Verhandlungen
    Im Mittelmeer ertrinken Flüchtlinge aus Libyen. In den Städten sterben Menschen durch Bomben, Granaten und Raketen. Wir warnen vor einer unkalkulierbaren Eskalation im Libyenkrieg. Die Militärintervention zeigt von Woche zu Woche deutlicher, dass sich der Schutz der Zivilbevölkerung und die Absicht der Interventen, das Regime zu stürzen, schwer vereinbaren lassen. Der UN-Sicherheitsrat hat in seiner Resolution 1973 militärische Zwangsmittel autorisiert, um die Zivilbevölkerung zu schützen, und zugleich eine sofortige Waffenruhe im Bürgerkrieg verlangt. Daran erinnern wir und fordern, ohne Vorbedingungen über ein Ende der Gewalt zu verhandeln. Warum sollte Deutschland nicht zwischen Tripolis und Benghasi vermitteln?
    Europa: Integration statt Renationalisierung und Festungspolitik
    Die Militärintervention in Libyen und das Flüchtlingsdrama auf Lampedusa zeigen die Zerrissenheit der EU, die sich in der schwersten Krise seit ihrer Gründung befindet. Noch immer dominieren in Europa nationale Alleingänge. Renationalisierung und Populismus prägen auch die Euro-Krise. Effektive Bankenkontrollen und wirksame Finanzhilfen für die schwächeren Mitglieder der Union sind nötig, um den Zentrifugalkräften Einhalt zu gebieten. Ein Scheitern des Euro würde die allgemeine Entsolidarisierung verstärken, das machtpolitische Ringen um Einflusssphären wiederbeleben und die nur schwach entwickelte gemeinsame Außenpolitik endgültig begraben. Solidarität ist nicht nur eine Last: Die europäische Integration kommt allen zugute, auch den Starken. Die Bundesregierung darf Solidarität nicht zähneknirschend üben und muss in der Öffentlichkeit offensiv für das weitere Zusammenwachsen Europas eintreten.
    Die Integration galt lange als die politische Errungenschaft im jahrhundertelang so kriegerischen Europa. Das muss weiter gelten – nach innen wie nach außen. Zur europäischen Identität gehört nationale, gesellschaftliche und kulturelle Vielfalt. Immigranten gegen Benachteiligte ohne Migrationshintergrund auszuspielen gefährdet den gesellschaftlichen Frieden. Die einen wie die anderen brauchen Arbeitsmarktchancen. Wir verlangen, gezielt in Bildung und Ausbildung zu investieren: in die verstärkte Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund und eine vereinfachte Anerkennung von im Ausland erworbenen Studien- und Berufsabschlüssen. Bemühungen, ausländische Studienabsolventen zum Bleiben zu veranlassen, sind mit entwicklungspolitischen Impulsen zu verbinden, um die beruflichen Chancen in den Herkunftsländern nachhaltig zu verbessern. Festungspolitik verträgt sich nicht mit einer humanen Gesellschaft. Das hohe Gut der Freizügigkeit im Schengenraum ist zu verteidigen. Wir fordern eine Reform des Einbürgerungsrechts und eine Asylpolitik in Übereinstimmung mit der Menschenrechtscharta. Völkerrechtswidrige Praktiken der Grenzschutzbehörde Frontex müssen ein Ende haben; Frontex ist in Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten zu reformieren und gehört unter die Kontrolle des Europäischen Parlaments. Gegen ausländerfeindlichen Populismus und Wählerfang am rechten Rand erwarten wir mehr aufklärerische Stimmen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Kirchen, Gewerkschaften und Regierung. Das Friedensprojekt Europa ist auch heute aller Mühen wert.

    Afghanistan, NATO, Bundeswehr: „Vernetzte Sicherheit“ auf den Prüfstand
    Wir stellen fest, dass die Aufstandsbekämpfung (COIN) in Afghanistan zivile Anstrengungen einer militärischen Logik untergeordnet hat. Die Strategie fordert einen immer höheren Preis an Menschenleben. Das Konzept der „vernetzten Sicherheit“ gehört folglich auf den Prüfstand. Wir verlangen, zivile und militärische Aufgaben und Mandate bei der Krisen- und Konfliktbearbeitung wieder klar zu trennen. Die Förderung von Entwicklungsprojekten an die Bereitschaft zu zivil-militärischer Kooperation zu binden, gefährdet gleichermaßen Projekte und Projektträger. Um Afghanistan zu befrieden, ist eine Einbindung der Nachbarstaaten unerlässlich. Ein internationaler Verhandlungsprozess muss Initiativen für regionale Waffenstillstandsvereinbarungen einschließen, um eine Abzugsperspektive glaubhaft mit dem Ziel der Beendigung militärischer Gewalt zu verbinden. Die Bundesregierung sollte sich auf der Petersberg-Konferenz hierfür stark machen.
    Das neue Strategische Konzept der NATO zeugt von fehlender Zukunftsfähigkeit. Unter dem Begriff „umfassende Sicherheit“ beansprucht die NATO Zuständigkeit für Bereiche, die in die Entwicklungspolitik und Diplomatie gehören. Die vorgesehene Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Europa halten wir für ein falsches Signal. Sie ist ein überflüssiger Stolperstein für die Beziehungen mit Russland und auf dem Weg zu mehr Sicherheit, die sich nur gemeinsam erreichen lässt.
    Nachdem die öffentliche Diskussion über den Krieg in Afghanistan endlich Fahrt aufgenommen hat, ist sie auszuweiten auf die künftige Rolle und Gestalt der Bundeswehr. Wir warnen davor, bei der Bundeswehrreform die deutschen Streitkräfte maßgeblich in eine Interventionsarmee umzuformen. Die Entgrenzung der „erweiterten Landes- und Bündnisverteidigung“ darf nicht die Tür zur Selbstermächtigung von Militäreinsätzen und schon gar nicht zu Militäreinsätzen für eine gesicherte Rohstoffversorgung öffnen. Von den gut 6.900 deutschen Soldaten im Ausland sind etwa 350 Soldaten in EU-Einsätze integriert, weniger als 300 Bundeswehrsoldaten kommen in den Stabilisierungsmissionen der UNO zum Einsatz. Die übergroße Mehrheit steht unter dem Kommando der NATO. Die nordatlantische Militärallianz ist jedoch kein Ersatz für die UN-Friedenssicherung. Es scheint also, als sei das Bekenntnis zum Primat der UNO für die Wahrung von Frieden und Sicherheit weltweit, das auch in den neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien zu lesen ist, nur Rhetorik. Das muss sich grundlegend ändern. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr müssen dazu beitragen, dass die UNO ihre Friedensmissionen effektiviert. Andernfalls nimmt die Glaubwürdigkeit der Weltorganisation Schaden.
    Friedensforscher nennen Krieg, was Kriegführende gern schönreden: Operation Enduring Freedom in Afghanistan, Operation New Dawn im Irak oder Operation Unified Protector in Libyen. Weil wir aber nicht Sprachkritik im Elfenbeinturm betreiben, suchen wir die Öffentlichkeit. Wir sind dankbar, dass die Bundespressekonferenz uns dafür erneut ein Forum bietet. Unsere Adressaten sind die politischen Entscheidungsträger, aber genauso die politisch Interessierten und die aktiv Engagierten, die ein wachsames Auge auf die Politik haben und zugleich vielfach zu ihren kritischen Partnern avanciert sind. Wir stellen das Friedensgutachten auch bei Bundestagsabgeordneten sowie in den einschlägigen Ministerien vor und diskutieren es auf öffentlichen Veranstaltungen. Heute Abend sind wir zu Gast im Französischen Dom hier in Berlin, im Juni diskutieren wir unsere Arbeit in Brüssel, unter dem Dach des Europäischen Parlaments.

    22 April 2011

    Vorstellung des Friedensgutachtens am 18. Mai 2010 in Berlin

    Presseerklärung von www.friedensgutachten.de
    Vorstellung des Friedensgutachtens am 18. Mai 2010 in Berlin von Christiane Fröhlich

    Friedensforscher fordern: Bürgerkriegsstaaten reformieren. Aus Kriegsparteien politische Konkurrenten machen.

    Als Friedensforscher beschäftigen wir uns tagtäglich mit Aufständen, Kriegen, Gewalt. Wir analysieren Opferzahlen und Waffentypen und formulieren Risikoszenarien. Ein krisensicherer Job, sagt der Blick in die globale Konfliktrealität. Doch hinter den abstrakten Zahlen verbergen sich reale Menschen, reales Leid. Dies in Erinnerung zu rufen und daraus politische Schlussfolgerungen zu ziehen, darauf zielt Friedensforschung.
    Wie die gegenwärtige Afghanistan-Debatte zeigt, braucht die deutsche Politik und Öffentlichkeit die kritische Auseinandersetzung über die Rolle Deutschlands in bewaffneten Konflikten; wir wollen mit dem jährlich erscheinenden Friedensgutachten dazu beitragen, indem wir Wege aus dem Krieg aufzeigen. Wir stellen es nicht nur hier vor der Bundespressekonferenz, sondern auch bei Bundestagsabgeordneten und in den einschlägigen Ministerien vor. Außerdem diskutieren wir es bundesweit in Podiumsdiskussionen, etwa heute Abend im französischen Dom hier in Berlin, sowie Anfang Juni in Brüssel.
    Das Friedensgutachten erscheint seit 1987; es wird gemeinsam von den fünf führenden deutschen Friedensforschungsinstituten herausgegeben. Unsere deutschen und internationalen Autorinnen und Autoren gehören zu den besten ihres Faches; ihnen gilt unser Dank ebenso wie der Deutschen Stiftung Friedensforschung, die das Friedensgutachten auch dieses Jahr wieder gefördert hat.
    Das Friedensgutachten 2010 überprüft die neue Afghanistanstrategie und formuliert Handlungsoptionen mit dem vorrangigen Ziel, die Sicherheit der Menschen in Afghanistan zu verbessern. Unser Schwerpunkt ist in diesem Jahr die Frage, wie sich Aufständische weltweit in die konstruktive Lösung innerstaatlicher Konflikte einbeziehen lassen. Wir analysieren zudem den Nuklearstreit mit Iran, schlagen Schritte in eine atomwaffenfreie Welt vor und untersuchen die Folgen der Weltwirtschaftskrise für Rüstungsbudgets, arme und schwache Staaten.
    Die Bilanz nach fast neun Jahren Afghanistankrieg ist katastrophal. Die bisherige Afghanistanpolitik ist gescheitert. Ob und wie die Aufständischen mit der neuen Strategie militärisch zurückzudrängen sind und ein legitimer und funktionsfähiger Staat zu erreichen ist, lässt sich nicht vorhersagen. Zu fragil ist der afghanische Staat, zu korrupt seine Regierung, zu fragmentiert seine Gesellschaft. Zu widersprüchlich sind auch die Interessen von Afghanistans Nachbarn. Nur eins scheint sicher: Sofern es überhaupt noch gelingt, das Land zu stabilisieren, werden traditionelle afghanische Machtstrukturen stärker berücksichtigt und Abstriche bei Demokratie- und Menschenrechtsstandards gemacht werden müssen. Das vorrangige friedenspolitische Ziel muss es sein, die Sicherheit der Menschen in Afghanistan nachhaltig zu verbessern, auch wenn dies bedeutet, dass Afghanistan weniger „westlich“ ist als gedacht.
    Wir fordern, dass sich Friedenspolitik entschieden mehr als bisher mit innergesellschaftlichen Kriegen befasst. Zwar ist die Zahl zwischenstaatlicher Kriege zurückgegangen, nicht aber die der Bürgerkriege, Aufstände und anderer Spielarten innerstaatlicher Gewalteskalation. Sie dauern oft Jahre, fordern einen hohen Blutzoll und zerstören die gesellschaftlichen Fundamente ohnehin schwacher Staaten. Das Friedensgutachten 2010 präsentiert kreative Strategien, mit denen sich Gewaltakteure in politische Kontrahenten, Konkurrenten, gar Kooperationspartner verwandeln lassen. Dazu gehören materielle Anreize und Sicherheitsgarantien für die, die man politisch reintegrieren will, institutionelle Arrangements, Machtbeteiligung, vor allem aber staatliche Reformen, um den Regierenden mehr politische Legitimität zu verschaffen. Dieser Weg ist der mühsamste, aber er verspricht den nachhaltigsten Erfolg. Keine Konfliktpartei darf dabei von vornherein ausgeschlossen werden; wer nichtstaatliche Gewaltakteure pauschal als Terroristen denunziert, unterstützt nicht selten staatliche Gewalttäter und schließt potenzielle Partner für Friedensverhandlungen aus.
    Zudem greifen wir im Friedensgutachten 2010 einmal mehr die Vision einer atomwaffenfreien Welt auf. Sie gewinnt in dem Maß prominente Fürsprecher, in dem das Risiko wächst, dass Terroristen an Atomwaffen oder Spaltmaterial für den Bombenbau gelangen könnten. Trotz erster Erfolge ist der Weg zu Global Zero noch weit. Die NATO-Staaten müssen ihre Atomwaffen nach und nach abrüsten und ihre Sicherheits- und Militärdoktrinen entsprechend umstellen. Wir plädieren dafür, endlich alle taktischen US-Atomwaffen aus Deutschland abzuziehen. Die Bundesregierung sollte im Rahmen des Nichtverbreitungsvertrags für den Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen eintreten und auf einen europäischen Aktionsplan Global Zero drängen. So kann Europa zu einem Motor für eine atomwaffenfreie Welt werden.
    Im Nuklearstreit mit Iran halten wir die weitere Verschärfung der Sanktionen für wenig aussichtsreich. Die Staatengemeinschaft sollte stattdessen die Leistungen würdigen, die Iran bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms aus Afghanistan und bei der Bekämpfung des Drogenhandels erbringt. Zudem sollte Washington die diplomatischen Beziehungen mit Teheran wieder aufnehmen und unmissverständlich signalisieren, dass die USA keinen Waffengang gegen iranische Nuklearanlagen oder einen gewaltsamen Regimewechsel beabsichtigen. Das heißt nicht, die Augen vor der Unterstützung der libanesischen Hisbollah zu verschließen oder die martialischen Drohungen des iranischen Präsidenten gegen Israel zu ignorieren. Aber es würde die Kritik daran glaubwürdiger machen.
    Schließlich warnen wir davor, den Folgen der Weltwirtschaftskrise mit verstärktem Rüstungsexport zu begegnen, auch wenn dies unseren eigenen Industrien hilft, die Krise abzufedern. Wir fordern einen verbindlichen Waffenhandelsvertrag, mit dem sich völkerrechtliche Standards zur Beurteilung von Kauf-, Verkaufs- und Transitgeschäften festschreiben lassen.
    Für Länder der Dritten Welt und fragile Staaten kann die Weltwirtschaftskrise katastrophale Auswirkungen haben. Die Situation der Ärmsten der Armen hat sich bereits signifikant weiter verschlechtert. Nüchterne Sicherheitskalküle verbieten es, die besonders schwachen Mitglieder der Staatenwelt mit den Folgen der Krise sich selbst zu überlassen. Wir empfehlen, den Folgen der Krise mit einer Kombination aus wirtschaftlicher Unterstützung, sozialer Abfederung der Krisenfolgen und Stärkung lokaler Regierungsfähigkeit zu begegnen. Angesichts der durchlässigen heutigen Grenzen sind Gewaltpotenziale auch in geostrategisch nachrangigen Staaten ernst zu nehmen. Wir plädieren deshalb für den Aufbau robuster staatlicher Institutionen – was passiert, wenn das versäumt wird, ist dieser Tage in Afghanistan zu beobachten.

    08 April 2011

    Schießerei auf britischem Atom-U-Boot

    Im Hafen von Southampton hat ein Matrose auf dem britischen Atom-U-Boot "HMS Astute" einen anderen Matrosen erschossen und einen weiteren lebensgefährlich verletzt. Der Täter sei überwältigt und verhaftet worden. Zu näheren Umständen der Tat wurden bislang keine Angaben gemacht.

    Die "HMS Astute" ist das neueste Atom-U-Boot der britischen Marine, sorgte aber schon im Oktober 2010 für Meldungen, als es keine zwei Monate nach Indienststellung auf einen Felsen vor der Ostküste Schottlands aufgelaufen war. Und das trotz modernster Navigationselektronik, über die der Kommandant noch wenige Tage zuvor im BBC faselte: "Hier geht alles von allein, hier wird nichts mehr wie früher per Hand gesteuert."
    Dass die "HMS Astute" mit dem Schlepper kollidierte, der sie vom Felsen holte, ist fast schon selbstverständlich, wie der Spruch danach, dass es zu keinerlei Gefährdung für Mensch und Umwelt gekommen sei.

    Die "HMS Astute" kostete laut SPIEGEL ca. 4 Milliarden EURO. Viel Geld für unbrauchbaren Mist. "Arbeitsplatzsicherung" wie mit dem Airbus 400M? Dann wären Windräder und Wellenkraftwerke besser, aber im Zivilen findet Amortisationsrechnung statt, während für den Absatz von Rüstungsprodukten Geschwätz genügt.

    Markus Rabanus >> Diskussion
    >> Atom-U-Boot-Unfälle

    21 Januar 2011

    Moskau wünscht Rückzug taktischer Atomwaffen aus Drittstaaten

    In einer Meldung der staatl.Nachrichtenagentur Russlands RIA Novosti heißt es: "Wie der Chef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Konstantin Kossatschow, am Donnerstag in Moskau sagte, wird das Unterhaus bei der Ratifizierung des START-Nachfolgevertrages in dritter Lesung Washington vorschlagen, taktische Atomwaffen aus Europa abzuziehen. "Wir sprechen immer wieder davon, dass die USA ihre taktischen Atomwaffen vom europäischen Kontinent auf das eigene Territorium zurückbringen sollten", betonte er."

    Die russische Seite rechtfertigt ihre über den START-Vertrag hinausgehenden Wünsche mit Ergänzungen, zu denen es auf us-amerikanischer Seite anlässlich der dortigen Ratifizierung gekommen sei.
    Von beiden Seiten wird der Vertrag torpediert, indem er mit Atomwaffenmodernisierungen und Antiraketenprogrammen kombiniert wird. Russland und USA erweisen einmal mehr Unfähigkeit, ihren Verpflichtungen aus Art.6 Atomwaffensperrvertrag nachzukommen. Die Regelungen müssten deshalb seitens der UNO vorgegeben und durchgesetzt werden.

    Die Berichterstattung über die neuerlichen Vertragsprobleme ist in unseren Medien dürftig und dem Gegenstand unangemessen, zumal auf dem Hintergrund der Kritik an nordkoreanischen und eventuell iranischen Atomwaffenprogrammen - und auf dem Hintergrund des Koalitionsvertrags, in dem FDP und Unionsparteien vereinbarten, auf eine Atomwaffenreduzierung und den Rückzug der auf deutschem Boden stationierten US-Atomwaffen hinzuwirken.